Gelobtes Land, Heiliges Land …

Hymne aus dem Herzen kommend beim Besuch in Jordanien, Israel, Jerusalem

Das “Gelobte Land”, das “Heilige Land”,
das Land, das, wie es heißt, Moses verheißen wurde,
das er nicht mehr betreten konnte, aber von weitem sah,
vom Berge Nebo aus, und sein Blick ging über die Bergwüsten hinüber
ins fruchtbare Jordantal.

Das “Gelobte Land”, das “Heilige Land”,
das Land, das Abraham verheißen wurde, für seine Söhne,
den erstgeborenen Ismael und den zweitgeborenen Isaak,
und für alle seine Nachkommen.

Das “Gelobte Land”, das “Heilige Land”,
das die Nachkommen Abrahams eroberten,
indem sie bei der “Landnahme”, wie es heißt,
die Kanaaniter die Ureinwohner, vertrieben und erschlugen.

Es ist das Land, wo die Nachfahren Abrahams, Isaaks und Jakobs
wiederum abgeschlachtet wurden von Assyrern und Babyloniern,
zu Tausenden in Gefangenschaft geführt wurden
für fünfzig unendlich lange Jahre.

Es ist das Land, wo die Nachfahren Abrahams, Isaaks und Jakobs
von den Römern beherrscht wurden, Tausende von ihnen gekreuzigt wurden,
unter ihnen mein ganz besonderer Bruder Jesus von Nazareth,
der seinen Mitmenschen sagte, dass es nicht auf 613 Gebote und Verbote ankommt,
sondern auf Gerechtigkeit, Frieden und Liebe,

Es ist das Land, wo die Nachfahren Abrahams, Isaaks und Jakobs
ihren Tempel verloren, ihr Leben, ihre Heimat,
die Bewohner in alle Welt vertrieben wurden,

Es ist das Land, das die Nachfahren Abrahams Isaaks und Jakobs ersehnten,
über die ganze Welt zerstreut, Demütigungen und Verfolgungen ausgesetzt,
bis hin zur entsetzlichen Shoah, als Millionen vertrieben, ermordet, vergast wurden,

Es ist das Land, das die Nachfahren Abrahams Isaaks und Jakobs
wieder in Besitz nahmen, unterstützt von wohlmeinenden Menschen,
die auf ein friedliches Zusammenleben setzten zwischen Juden und Palästinensern,
denen seit Jahrhunderten dieses Land ebenfalls zum “Land der Väter” geworden ist.

Dieses “Heilige Land” ist nicht mein “heiliges Land”!
Es ist das Land, wo die Nachfahren Abrahams und Isaaks
den Nachfahren ihres Bruders Ismael
Land abgekauft, abgeluchst, abgenommen haben.

Es ist das Land, wo die Nachfahren Abrahams Isaaks und Jakobs
in reichen Städten und festen Häusern wohnen,
die Nachkommen Ismaels oft in Hütten und Zelten,
in Flüchtlingslagern, mittellos, arbeitslos, in Müll und Staub.

Es ist das Land, wo die Nachkommen Ismaels kaum Wasser haben,
weil die Nachkommen Abrahams und Isaaks den Jordan und seine Quellen erobert haben,
sein kostbares Nass abzapfen, abzweigen, ableiten,
und der Jordan oft nur noch ein Rinnsal ist.

Es ist das Land, wo die Nachkommen Abrahams und Isaaks genug Strom haben,
den elektrischen Strom, den wir heute ebenso nötig haben wie das strömende Wasser,
den aber die Nachkommen Isaaks den Nachfahren Ismaels abdrehen,
das sie bräuchten für ihre Flüchtlingslager, Krankenhäuser, Schulen, Wohnungen.

Es ist das Land, wo sich die Nachkommen Abrahams, Ismaels und Isaaks
als Soldatinnen und Soldaten an den Grenzen schwer bewaffnet gegenüber stehen
als Feinde in Sichtweite.

Es ist das Land, wo die Nachkommen Abrahams
bis an die Zähne bewaffnet vor Gotteshäusern, Tempeln, Synagogen stehen
und glauben, sich damit voreinander schützen zu müssen.

Es ist das Land, wo die Nachfahren Abrahams
jeden Tag, jede Stunde damit rechnen müssen,
dass eine Bombe gezündet wird, ein Messer zusticht,
ein brutaler Gegenschlag erfolgen kann.

Nein, das ist nicht mein “Gelobtes Land”, nicht mein “Heiliges Land”,
wo man jede Stunde damit rechnen muss, dass eine Rakete einschlägt,
weil religiöse oder politische Fanatiker oder Hardliner
– von welcher Seite immer – glauben, dies im Namen Gottes tun zu müssen!

Da ist mein gelobtes Land,
wo Menschen in Frieden zusammen leben oder es zumindest versuchen,
so gut es geht, auch mit Kompromissen und Rückschlägen!

Da ist mein gelobtes Land,
wo man als Brüder und Schwestern,
als Verwandte, Freunde und Nachbarn, als Freunde – aber auch als Fremde –
zusammen leben in Fairness!

Da ist mein gelobtes Land,
wo Kinder erzogen werden zu Hilfsbereitschaft und Mitmenschlichkeit,
nicht zu Feindschaft und Hass!

Da ist mein gelobtes Land,
wo Kinder nicht gottesfürchtig sein müssen, sondern fröhlich sein dürfen!

Da ist mein gelobtes Land,
wo Frauen und Männer gleiche Rechte haben,
wo Meinungsfreiheit herrscht und Religionsfreiheit!

Da ist mein gelobtes Land,
wo in der Verfassung so einfache Sätze stehen wie:
“Die Würde des Menschen ist unantastbar.”
“Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.”
“Männer und Frauen sind gleichberechtigt.”

Da ist mein gelobtes Land,
wo sich Männer und Frauen offen anschauen oder zulächeln können,
offen und ohne Schleier und Ganzkörpergefängnis.

Da ist mein gelobtes Land,
wo man nicht beschallt wird mehrmals am Tage
mit heiligen Worten aus heiligen Schriften von heiligen Männern,
die sagen, sie kämen direkt aus dem Munde ihres heiligen Gottes.

Da ist mein gelobtes Land,
wo Männer und Frauen, wenn sie wollen, Haut und Haar zeigen können
und das, was ihnen Mutter Erde oder der liebe Gott oder Mutter Natur
oder die Schöpfung mitgegeben hat an Schönheit und Anmut.

Da ist mein gelobtes Land,
wo Männer und Frauen Zärtlichkeit und Zusammengehörigkeit zeigen können.

Da ist mein gelobtes Land,
wo die Kinder geherzt werden und beschützt werden,
nicht beschnitten werden müssen, weil ein alter Brauch es verlangt.

Da ist mein gelobtes Land,
wo Kinder – und Erwachsene – singen und Musik hören können – nach Herzenslust.

Da ist mein gelobtes Land,
wo die Güter der Erde so verteilt sind, dass auch die Nicht-Reichen genug haben
zum Essen und Trinken und Wohnen und zum guten Leben.

Da ist mein gelobtes Land,
wo Handwerker und Arbeiter ehrliches Geld bekommen für ehrliche Arbeit,
nicht eine reiche Oberschicht schmutziges Geld reinwäscht für ein feines Leben.

Da ist mein gelobtes Land ,
wo “oben” und “unten” fair miteinander umgehen und nach Ausgleich suchen.

Da ist mein gelobtes Land,
wo die Sonne lacht – und nicht sengt und brennt,
wo die Flüsse Wasser führen und nicht kurz nach dem Regen versiegen,
wo die Wiesen grün sind, wo die Erde satt ist und fruchtbar.

Da ist mein gelobtes Land,
wo die Menschen wissen, dass wir unsere Erde sorgsam und verantwortungsvoll
bewahren müssen für Kinder und Kindeskinder.

Da ist mein gelobtes Land,
wo man nicht sagt: Unsere Religion ist besser als Eure!
Unsere Hände sind reiner als Eure!
Sondern: Wir sind Geschwister auf dieser kleinen Erde,
auch wenn wir verschieden sind!
Wir sind vom gleichen Sternenstaub,
vom gleichen Erdenstaub
im großartigen, weiten, weiten Weltenraum!

Da ist mein gelobtes Land,
wo sich Religionen und Konfessionen nicht streiten
um Ecken und Nischen eines Gotteshauses
oder Andersgläubigen den Zutritt verwehren,
sondern wo weise Männer und Frauen der Religionen sagen:
Jeder Mensch ist eingeladen bei uns!
Komm herein! Sei willkommen! Sei unser Gast!
Gerne zeige ich Dir, was wir hier machen.
Und zeig´ Du mir, was I h r macht! Es interessiert mich!
Wir könnten sicher manches voneinander erfahren und lernen!

Da ist mein gelobtes Land,
wo Religionen sich respektieren,
als Geschwister auf dem Wege zum Ziel, zum Glück,
zusammen mit anderer Menschen Glück,
um sich eins zu fühlen mit den anderen, dem Kosmos, der Schöpfung.

Da ist mein gelobtes Land,
wo man Gott im Guten und Schönen sucht und in der Ratio,
nicht in Angst und Vorschriften und Geboten und Verboten,
sondern in Frieden und Menschlichkeit und Liebe!


Peter Heigl

p.s.: Die Hymne ist keine Anklage, es ist Klage – und Appell. Wir Menschen brechen Krieg um Krieg vom Zaun, Unrecht folgt auf Unrecht. Das zeigt uns die Geschichte. Selten schaffen wir es, den Teufelskreis von Aggression zu durchbrechen. Meine Überzeugung: Da ist „Heiliges Land“, wo Menschen dies schaffen! Da kann man ein Land loben als „Gelobtes Land“, wo Fairness, Empathie, Gerechtigkeitssinn zur ethischen Maxime wird. Im günstigen Fall folgen daraus Liebe und Frieden. Das wär´s! Ich bin mir sicher: In demokratisch verfassten, der Humanität und Menschenwürde verpflichteten Ländern kommen wir diesem Ziel näher. Eine wertvolle Orientierungshilfen auf diesem Weg ist eine Ethik im Sinne des Jesus von Nazareth („Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst!“) oder von Albert Schweitzer („Leben ist Leben inmitten von Leben, das leben will.“).

Ich stimme Günther Grass bei, der zum Thema Israel / Palästinenser eines seiner letzten Gedichte verfasst hat: “Mit letzter Tinte – Was gesagt werden muss”. Darin heißt es:

”Ich schweige nicht mehr…
Nur so ist allen, den Israelis und den Palästinensern,
mehr noch, allen Menschen, die in dieser
vom Wahn okkupierten Region
dicht bei dicht verfeindet leben
und letztlich auch uns zu helfen.”

p.p.s.:

Der brutale Anschlag auf die Synagoge in Halle bewegt mich zu betonen: Ich verurteile Gewalt in jeder Religion, in jeder Gesellschaft. Jeder Mensch möge mit seiner Religion, Philosophie und Weltanschauung glücklich werden! Aber bitte gewaltfrei!

  • Kritik an der Politik in Israel muss erlaubt sein. Es ist auch klar, dass eine Religion, die viel Gewalt erfahren hat und sie zur Zeit wieder erfährt, besonders auf der Hut sein will und muss. Tragisch, dass dieses „Auf-der-Hut-sein-müssen“ nun auch wieder in Deutschland notwendig ist. Tragisch, dass Bewaffnete vor Synagogen, vor Moscheen zum Alltag gehören werden. Brauchen auch christliche Gotteshäuser bald diesen Schutz? – Möge doch die Zeit kommen, in der Menschen aller Religionen, Weltanschauungen, Gesellschaftsformen und Nationen einsehen, dass Gewalt das Dümmste ist, was sie bisher hervorgebracht haben. Kriege und Gewalt sind schreckliche, kranke Irrwege!