Peter Heigl
CHRISTIANITAS COSMOPOLITANA
Kosmopolitisches Christentum
Religionen, Philosophien, Wissenschaften sind tastende Versuche der Menschheit, Fragen nach dem Warum, Woher und Wozu des Lebens zu klären.
Habe den Mut, dich deines Verstandes zu bedienen, – und habe zugleich den Mut, das Gefühl sprechen zu lassen. Denn es gibt die Sprache des Wissens und der Wissenschaften, und es gibt die Sprache des Herzens, der Poesie, der Kunst. Große Geister benutzen beide, im Wissen um ihre jeweilige Begrenztheit.
Religiöse Sprache ist immer Symbolsprache. In diesem Wissen kann man auch der Ratio verpflichtet Aussagen der Religion(en) verstehen und interpretieren.
Es gilt immer: Deus semper major. Vgl. Th. v. Aquin, B. Spinoza, I. Kant, A.Schweitzer, A. Einstein, H. Lesch u.v.a..
In allen Religionen wurde Wertvolles und Sinnvolles, Wichtiges und Richtiges, aber auch Unsinniges und Falsches formuliert. Menschen und Institutionen, damit auch Religionen, glauben oft, im Besitz von Wahrheit zu sein, und man will sie mit Macht durchsetzen.
Macht aber birgt immer die Gefahr von Machtmissbrauch und Dogmatisierung. Dogmatismus ist immer gefährlich, in der Religion und in der Politik. (Der Meister, der Führer, die Religion, die Schrift, die Partei etc. „hat immer recht“ …)
Religionen haben den Menschen Kraft und Stärke gegeben zum Durchhalten von Nöten und Sorgen, haben Gesellschaften gestärkt bei der Durchsetzung von sozialen und kulturellen Zielen.
Aber: Im Namen der Religion wurden auch Millionen von Menschen gequält und getötet.
Konsens aller Menschen sollte werden: Gewalt im Namen der Religion(en) müssen wir nach Kräften verhindern, Diskriminierung im Namen der Religion(en) nach Kräften vermindern.
Diskriminierung ist in manchen Religionen oft systemimmanent.
Vgl. Patriarchat, mindere Rechte von Frauen und Minderheiten, Kastenwesen etc..
Die Toleranz aufgeklärter Menschen wird dadurch auf eine harte Probe gestellt. Geduld ist angesagt.
Tolerante Insider in Religionen erreichen oft mehr als intolerante Gegner. Systemimmanente geduldige Diskussion ist oft erfolgreicher als aggressive Gegnerschaft.
Intolerante Religionsgegner haben ebenfalls Millionen von Opfern auf dem Gewissen. (Vgl. Nationalsozialismus, Leninismus, Stalinismus, Maoismus)
Religion(en) und Wissenschaft(en) sollen einander zuhören, verschiedene Sichtweisen gelten lassen, andere Sichtweisen respektieren, voneinander lernen, sich ergänzen.
Vielfalt statt Monokultur! Ziel sollte sein: eine gewaltfreie, friedliche Gesellschaft, sei sie religiös oder säkular begründet.
(vgl. Humanismus, Internationalismus, religiöser Kosmopolitismus, „verwurzelter Kosmopolitismus“)
Der Gegensatz ist nicht Religion versus Religionslosigkeit, sondern Ja zu Werten der Menschlichkeit, versus Gewalt und Negierung menschlicher Werte und menschlichen Lebens.
(vgl. metaphysischer Anti-Natalismus) – „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen…“
Was bedeutet dies für das Christentum,
die verschiedenen „Christentümer“, das freie Christentum?
Jesus von Nazareth hat keine Dogmen gepredigt, sondern vor allem in Gleichnissen gelehrt. Seine Botschaft wurde von seiner Jüngerschaft weiter gegeben. Vieles kam später hinzu über Gemeinde-Theologie, Paulus-Theologie, Apostel-Briefe, Kirchenlehrer. Oft guten Glaubens, oft durch Erzählfreude, Interpretationslust, Gedankenfreude, theologische und philosophische Spekulation. Fehlinterpretationen konnten dabei nicht ausbleiben. Ab 325 n.Chr. wurden die ersten Dogmen formuliert, auf Druck des römischen Kaisers Konstantin. Er wünschte eine einheitliche Lehre, um das römische Reich zusammen halten zu können.
Jesus von Nazareth wollte ganz sicher keine Staatskirche schaffen, keine römische oder russische oder anglikanische oder wie auch immer geartete National- oder Provinzialkirche. Wie sich seine Jüngerschaft organisieren solle, darüber hat er nichts gesagt, auch nichts von festen, dogmatischen Lehrinhalten.
Was wollte er? Er hat sie eingeladen, seine Botschaft zu hören und in diesem Sinne zu leben. Er predigte Liebe, Frieden, Güte, Verzeihen, Barmherzigkeit unter allen Menschen, ob Mann oder Frau, Jude oder Grieche oder Römer oder Perser, ob arm oder reich, ob hoch ob niedrig… Weiterhin: Alle Menschen, nicht nur das auserwählte Volk, dürfen sich von einem liebenden Gott geliebt wissen. Sie dürfen ihn Abba, Papa, Vater nennen. Gott ist nicht der Unaussprechbare, der Unnennbare, unendlich Ferne. Er ist in uns. Wir sind in ihm. Er wollte Menschen, die so ähnlich fühlten wie er. Weltweit, universell, grenzenlos.
Dieser kosmische, kosmopolitische Geist ist auch heute aktuell. Wir sind eingeladen, ihn zu bedenken und weiterzudenken. Immer im Wissen, dass auch unser Weiterdenken und Interpretieren irren kann, wie auch viele bisherige Interpreten der Botschaft Jesu immer auch Fehlerhaftes gesagt haben. Ob Paulus oder Augustinus oder Luther oder Päpste und unzählige Theologen. Wahres und Hehres liegt ja oft nahe beieinander mit Irrtümern und Fehlern. Errare humanum est. Es irrt der Mensch, solang er strebt…
Aber: Mit der Grundhaltung von Liebe, Barmherzigkeit und Frieden kann man nicht allzu viel falsch machen. Liebe, Verzeihen, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Friede, – dies ist die Kern-Botschaft des Christentums. Es ist eine einfache, friedliche, frohe und gute Botschaft.
Wer sich im Sinne von Jesus von Nazareth Christ nennen will, ist eingeladen, dies zu tun. Man kann Christ und Christin in einer der vielen Kirchen sein. Wer darin Freude und Stärkung erfährt sowie Möglichkeiten, Christentum praktisch zu leben und zu erleben, fährt gut damit. Die christliche Botschaft sollte in den jeweiligen Gemeinschaften immer auch anregen zu ökumenischer, interreligiöser und sogar multireligiöser Gastfreundschaft. Christ und Christin kann man auch unabhängig sein von Amtskirchen. Wer schlechte Erfahrungen gemacht hat mit Amtskirchen, wird sich eher davon distanzieren. Aber wer die christliche Botschaft für wegweisend hält, kann sich Christ nennen, genau wie man auch Demokrat und Demokratin sein kann, ohne einer Partei anzugehören. Freies Christentum ist eine Alternative. Entscheidend ist die Orientierung an der Botschaft des Jesus von Nazareth, der von seiner Jüngerschaft nach dem Kreuzestod als Messias, griechisch Christus, bezeichnet wurde und zum Begründer des Christentums in all seinen Ausprägungen wurde.
Den Siegeszug eines Gekreuzigten kann man nur erklären mit der frohen Botschaft, die trotz mancher Verengung und Fehlinterpretation seiner Kirche „nicht totzukriegen“ ist. Es ist die frohe Botschaft:
Wir sind geliebt, und wir sollten lieben! Liebe und Friede für alle Menschen!
In diesem Geiste können wir hinzufügen: Für alle, arm und reich, hoch und niedrig, jeder Hautfarbe, jeder sexuellen Orientierung, jeder Nation, jeder Religion!
Diese kosmopolitische Botschaft des Jesus Christus von Nazareth ist auch heute wegweisend und wertvoll.
Sie möge gelten in so unfriedlichen Zeiten wie diesen! Weltweit!
IN TERRA PAX HOMINIBUS!
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